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Rundbrief des Bundesvorsitzenden, Ulrich Weigeldt, am 25.08.2022

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit wenigen Tagen können Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland antivirale Corona-Medikamente, wie beispielsweise Paxlovid, nicht nur verschreiben, sondern auch direkt abgeben. Damit gibt es in Deutschland erstmals ein hausärztliches Dispensierrecht! Hierfür haben wir uns als Verband mit Nachdruck eingesetzt.

Konkret hat der Gesetzgeber folgende Punkte beschlossen: 

  • Hausärztinnen und Hausärzte können künftig bei ihrer „regelmäßigen Bezugsapotheke” bis zu fünf Packungen Paxlovid bestellen, in ihren Praxen lagern und sie direkt an ihre Patientinnen und Patienten abgeben.

  • Für die Bestellung, Lagerung, Beratung und unmittelbare Abgabe des Medikaments erhalten Hausärztinnen und Hausärzte, zusätzlich zum regulären Honorar für die Behandlung, 15 Euro.

  • Die Therapie kann bei entsprechender klinischer Symptomatik auf Grundlage eines positiven Schnelltestes initiiert werden, wobei die Bestätigung durch einen PCR-Test empfohlen wird.

  • Der Gesetzgeber stellt klar, dass die Abgabe oder Verschreibung ausschließlich eine Entscheidung der Ärztin oder des Arztes nach patientenindividueller Abwägung ist.

  • Das BMG plant derzeit die direkte Abgabe von Paxlovid in hausärztlichen Praxen mindestens bis April 2023 zu ermöglichen. Hierfür sind jedoch noch entsprechende rechtliche Anpassungen not­wendig. Wir setzen uns dafür ein, dass die Abgabe unbefristet ermöglicht wird.

  • Es ist vorgesehen, dass zukünftig Pflegeheime eine/n Corona-Beauftragte/n benennen, die/der neben anderen internen Aufgaben die betreuenden Hausärztinnen und Hausärzte im Falle einer Corona-Infektion unter den Pflegebedürftigen sehr zeitnah informiert, um bei Bedarf eine Behandlung mit Paxlovid in die Wege zu leiten. Außerdem sollen Pflegeheime befähigt werden, je nach Größe, bis zu fünf bzw. zehn Packungen zu bevorraten, um diese nach ärztlicher Verord­nung möglichst zeitnah an die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung ausge­ben zu können.


Paxlovid ist ein sehr wirkungsvolles Medikament, von dem insbesondere Risikogruppen profitieren kön­nen. Bei der Verschreibung müssen verschiedene Wechselwirkungen berücksichtigt und unter Umstän­den andere Arzneimittel für kurze Zeit abgesetzt werden. Der Einsatz ist folglich nicht trivial.

Wir Haus­ärztinnen und Hausärzte kennen unsere Patientinnen und Patienten in aller Regel seit vielen Jahren und können daher am besten einschätzen, ob die Einnahme von Paxlovid in dem konkreten Fall Sinn ergibt. Dabei wird, wie sonst auch, einzig und allein unsere medizinische Einschätzung darüber entscheiden, ob Paxlovid verschrieben wird oder nicht!

Das Ziel muss es sein, Patientinnen und Patienten in den Risikogruppen möglichst früh zu identifizieren. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt abwägen zu können, ob eine medikamentöse Therapie einge­leitet werden sollte, denn Paxlovid muss bekanntlich möglichst früh, spätestens jedoch fünf Tage nach Symptombeginn verabreicht werden. Auch vor diesem Hintergrund ist ein hausärztliches Dispensier­recht für antivirale Corona-Medikamente ein absolut richtiger Schritt, denn in aller Regel drängt die Zeit.

In diesem Zusammenhang ist mir ein Punkt noch einmal besonders wichtig: Es muss der Bevölkerung unbedingt vermittelt werden, dass Paxlovid auf keinen Fall ein Ersatz für die Impfung ist. Die Impfung ist und bleibt unser schärfstes Schwert in dieser Pandemie.

Es ist begrüßenswert, dass der Gesetzgeber beim ärztlichen Dispensierrecht einen ersten Schritt geht. Wir fordern, dieses auch auf weitere Bereiche, in denen es einen echten Bedarf vieler Patientinnen und Patienten gibt, auszuweiten. Das gilt insbesondere für den Notdienst. Es ist niemandem begreiflich zu machen, weswegen Patientinnen und Patienten, die wir im Notdienst versorgen, im Zweifel das gesamte Wochenende warten müssen, bis sie an ihre Medikamente kommen.

Orientierungspunktwert

Ein weiteres Thema, das uns in Berlin aktuell beschäftigt, sind die Verhandlungen zwischen der KBV und dem GKV-Spitzenverband zur Anpassung des Orientierungspunktwertes. Dieser wird jährlich, wenn auch meist nur in homöopathischen Dosen, angepasst, um die steigenden Kosten in den vertragsärztlichen Praxen zumindest teilweise durch eine höhere Vergütung zu kompensieren. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Praxiskosten bekanntlich enorm gestiegen. Man will meinen, dass es offensichtlich ist, dass diese Mehrkosten durch die Krankenkassen ausgeglichen werden.

Dass die Kassen sich hier querstellen, überrascht nicht wirklich. Die Dreistigkeit, mit der sie es tun, dann aber doch. Der GKV-Spitzenverband hat allen Ernstes eine Nullrunde vorgeschlagen. Die Niedergelas­senen sollten also auf den steigenden Kosten beim Personal, der Energie und den sonstigen Betriebs­mitteln einfach sitzen bleiben. Das ist selbstredend absolut inakzeptabel! Noch absurder ist jedoch, dass als Begründung unter anderem angeführt wird, dass die Niedergelas­senen durch die Corona-Impfungen ja zusätzliches Geld verdient hätten! Wir sollen also für Überstunden bestraft werden! In keiner anderen Branche würde jemand das Gehalt de facto kürzen, mit dem Ver­weis, man hätte ja genug durch die Überstunden verdient.

Ich weiß nicht, ob sich das im GKV-Spitzenverband, eine Institution, die mit Versorgung überhaupt nichts am Hut hat, jemand vorstellen kann, aber auch wir sind nicht scharf darauf, ständig am Wochenende oder nach Feierabend zu arbeiten. Wir tun es, weil sich unsere Patientinnen und Patienten auf uns ver­lassen. Das gilt insbesondere während der Corona-Pandemie, in der die allermeisten Patientinnen und Patienten von uns versorgt werden. Als Dank soll der Rotstift angesetzt werden. Das betrifft im Übrigen nicht nur uns Ärztinnen und Ärzte, sondern auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Pandemie Enormes geleistet haben. Das können und werden wir nicht hinnehmen.

Mit kollegialen Grüßen

Ulrich Weigeldt
Bundesvorsitzender