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Rundbrief des Bundesvorsitzenden, Ulrich Weigeldt, gemeinsam mit der DEGAM, am 08.04.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Ostertage stehen an und werden in diesem Jahr für uns alle sehr ungewöhnlich. Sei es im Privaten oder Beruflichen, im Kleinen oder Großen: SARS-CoV-2 stellt uns vor nie dagewesene Herausforderungen!

Erfindungsgeist und Engagement

Ob nun beim Beschaffen dringend notwendiger Schutzausrüstung, dem Eröffnen von Fieberambulanzen und Infekt-Untersuchungsstellen für Patienten, oder der gegenseitigen Entlastung, überall engagieren sich Hausärztinnen und Hausärzte voller Tatendrang – und das oft auch sehr kreativ! Und wieder einmal zeigt sich: Wo es vorangeht, sind immer Hausärzte aktiv und initiativ beteiligt! Das verdient mehr Respekt von Seiten der verantwortlichen Akteure!

Denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind es, die in diesen Zeiten die Bastion bilden, die die Patientinnen und Patienten vor einer stationären Einweisung schützt. Ohne Ihr tägliches Engagement hätten gerade die älteren oder chronisch erkrankten Patienten oft keine andere Wahl, als sich an die Krankenhäuser zu wenden! Mal ganz abgesehen davon, dass wir unsere Patienten weiter betreuen wollen – und dass das auch der Wunsch unserer Patienten ist!

Auffällig ist, dass sich das öffentliche Interesse derzeit nicht nach der Versorgungswirklichkeit richtet. So stehen etwa nicht die, die sich täglich an vorderster Front engagieren, im Fokus der Medien, sondern vor allem Virologen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden nicht aufhören, Politik und Öffentlichkeit auf Ihre Leistungen aufmerksam zu machen!

Keine Benachteiligung unserer Patienten


Zeitgleich setzen wir uns für eine faire Vergütung Ihrer Leistungen ein. So kämpft der Deutsche Hausärzteverband gerade mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband darum, dass die telefonische Versorgung Ihrer Patienten ebenso vergütet wird wie die Videosprechstunde. Denn egal, ob mit oder ohne Bild: Die Zeit und die Zuwendung des Arztes sind doch das Entscheidende!

Die erste Nachbesserung, die KBV und GKV-Spibu verhandelt haben, genügt nicht! Es darf nicht sein, dass Patienten benachteiligt werden, denen eine Videoübertragung, ob aus persönlichen oder technischen Gründen, nicht möglich ist. Sind es doch gerade die älteren Patienten, die aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht in die Praxen kommen sollten, denen aber die technischen Möglichkeiten zur Videotelefonie in der Regel fehlen und die somit auf die telefonische Betreuung und Versorgung durch ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt angewiesen sind.

Hausarztzentrierte Versorgung

Auch in diesen Zeiten ist die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) für viele Hausärztinnen und Hausärzte eine wichtige Konstante. Die Voraussetzung für die Abrechnung eines Arzt-Patienten-Kontaktes ist weiterhin das Vorliegen eines Behandlungsanlasses zwischen Arzt und Patient – ob persönlich, telefonisch oder per Video. Es ändert sich also nichts – gerade, weil die HZV-Verträge ganz speziell auf die Arbeit in den Hausarztpraxen zugeschnitten sind!

Keine Eingriffe in die Versorgung unserer Patienten


Die Geschwindigkeit, mit der sich SARS-CoV-2 ausbreitet, verlangt zumeist ebenso schnelles Handeln. Deshalb wurden Maßnahmen ergriffen, um Belastungsspitzen in unserem Gesundheitssystem zu vermeiden. Das war richtig und wichtig. Doch bis wann ist eine Maßnahme noch sinnvoll und ab wann überzogen?

Wir sagen ganz klar: Nehmen die Aktionen ein Maß an, in dem die Kollateralschäden größer sind als der erwünschte Nutzen, dann müssen die Maßnahmen kritisch hinterfragt werden! Beispielsweise, wenn die Autonomie der Patienten und ihrer Ärzte eingeschränkt und dadurch eine vernünftige Versorgung erschwert wird. Andere Krankheiten warten nicht bis die Corona-Pandemie abgeebbt ist. Ein verzögerter Zugang zur hausärztlichen Versorgung kann schwerwiegende Auswirkungen haben, zum Beispiel weil abwendbar gefährliche Verläufe nicht erkannt werden. Alle Patientinnen und Patienten müssen auch in diesen Zeiten bestmöglich versorgt werden und dürfen nicht der Gefahr von Unter- und Fehlversorgung ausgesetzt werden.

Natürlich gibt es Ausnahmezustände, die es erfordern können, dass einer das Zepter übernimmt und dabei angemessene Entscheidungen trifft, die gegebenenfalls auch zu vorübergehenden Einschränkungen der handelnden Personen führen. Schaut man sich allerdings die derzeitigen Entwicklungen der Pandemie in Deutschland an, dann ist schnell ersichtlich, dass COVID-19 bislang regional sehr unterschiedlich ausgeprägt auftritt und somit nicht die ganze Bevölkerung gleichermaßen betrifft. Situationen wie in Heinsberg und in den Pflegeheimen in Wolfsburg oder in Würzburg verlangen selbstverständlich nach entsprechenden Maßnahmen, sie sind aber nach wie vor Ausnahmefälle. Abseits dieser regionalen Krisenherde muss allerdings sehr vorsichtig vorgegangen werden, sodass das Gleichgewicht aus Autonomie und Prävention erhalten bleibt!

Der Schutz unserer Patienten hat oberste Priorität und Schritte, die diesen Schutz gewährleisten, sind wichtig und richtig. Dafür muss unbedingt die hausärztliche Versorgung nachhaltig gestärkt, geschützt und gefördert werden. Was allerdings nicht hilft, ist blinder Aktionismus, der die Versorgung einschränkt oder gefährdet und der im Zweifelsfall mehr zerstört, als er hilft!

Zum Nachdenken, Nachhören und Diskutieren

Gerne verweisen wir an dieser Stelle auch auf das Thesenpapier einiger Gesundheitsexperten (auch zu finden auf unserer Corona-Themenseite unter www.hausaerzteverband.de/themen/aktuelle-informationen-zum-thema-corona.html). Es beleuchtet die COVID-19-Pandemie, die zugrundeliegende Datenbasis und die damit einhergehenden Maßnahmen unter neuen Gesichtspunkten – und bietet somit einen guten Anlass zur Reflexion und Diskussion. Außerdem möchten wir Ihnen den Podcast CoronaUpdate ans Herz legen, in dem Martin Scherer täglich aktuelle Aspekte der COVID-19-Pandemie diskutiert (zu finden unter www.degam.de/corona-update-podcasts-mit-prof-martin-scherer.html).

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bedanken uns für Ihr tägliches Engagement, für Ihre Arbeit in und außerhalb der Praxen! Wir wünschen Ihnen ein frohes Osterfest. Bleiben Sie gesund!

Mit kollegialen Grüßen

Ulrich Weigeldt
Bundesvorsitzender
Deutscher Hausärzteverband e.V.

Prof. Dr. Martin Scherer
Präsident
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin