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Rundbrief der Bundesvorsitzenden am 18.04.2024

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Hausärztetag, Protestveranstaltung, Krisengipfel, Referentenentwurf zum Gesundheitsversorgungs­stärkungsgesetz (GVSG). In den vergangenen sechs Monaten ist viel passiert! Ein halbes Jahr, in dem wir den Druck auf die Politik stetig hochgehalten haben. Ein halbes Jahr, in dem Sie uns immer wieder in Einzelgesprächen wie auch in Nachrichten Ihre dramatische Lage beschrieben haben. Die Quint­essenz war stets: Es braucht Veränderung – JETZT – Nichtstun ist keine Option! Wir möchten uns bei Ihnen bedanken für diese Einblicke in Ihren Praxisalltag. Sie treiben uns damit immer wieder neu an!

Vor wenigen Tagen erreichte uns nun der offizielle Referentenentwurf zum GVSG. Mit diesem Gesetz will Minister Lauterbach endlich die Krise der hausärztlichen Versorgung angehen und hat – auch aus vielen Gesprächen mit uns – darin wichtige Reformen angestoßen. Sage und Schreibe sieben Beschlüsse unserer Delegiertenversammlung haben in diesen Entwurf Eingang gefunden. Und auch, wenn es noch an einigen Stellen Änderungsbedarf gibt und – gerade mit Blick auf den massiven Wider­stand einiger Akteure – noch lange nichts in Sack und Tüten ist, können wir sagen: Die Chance für eine umfassende Reform der hausärztlichen Versorgung ist jetzt da und wir werden als Ihr Verband alles daransetzen, dass sie auch wirklich kommt!

Worum geht es konkret?

Eine entscheidende Maßnahme des aktuellen Referentenentwurfes ist endlich (!) die Entbdugetierung unserer Arbeit und zwar in Form der MGV plus. Heißt für uns, wenn die Mittel der Morbiditätsorientieren Gesamtvergütung (MGV) nicht ausreichen, um die hausärztlichen Leistungen zu vergüten, müssen die Krankenkassen das Geld nachschießen. Wenn die Gesamtvergütung in Ihrer KV-Region nicht ausge­schöpft wird, sind die KVen und Kassen also weiterhin verpflichtet, über Honorarzuschläge für die hausärztliche Versorgung zu verhandeln. Damit würde eine unserer zentralsten Forderungen Realität und dem dramatischen Praxissterben in immer mehr Regionen würde endlich ein Ende bereitet!

Auch die Vorhaltepauschale fand Einzug in den Entwurf. Wir hatten diese, analog zum stationären Bereich, gefordert, sodass endlich diejenigen Praxen, die wesentliche Aufgaben der hausärztlichen Grundversorgung leisten, sinnvoll gestärkt werden. Ein grundsätzlich richtiges Unterfangen, das aber besondere Sorgfalt bei der Umsetzung bedarf. Kurz gesagt: Da müssen wir definitiv noch einmal ran! Die Kriterien im aktuellen Entwurf, auf deren Grundlage eine gestaffelte, pauschale Vergütung der Praxisstrukturen erfolgen soll, setzen Versorgerpraxen teils mit einer Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit (etwa über Samstags- oder Abendsprechstunden) gleich. Keine Praxis, die wirkliche Versorgung leistet, kann dies so bewerkstelligen. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben uns in der Vergangenheit schon genug auf den Rücken geladen, um dieses System am Laufen zu halten, die Reformen dürfen dieses System der Ausbeutung der hausärztlichen Versorgung keinesfalls stützen. Im Gegenteil:
Sie müssen es endlich stoppen!

Ebenfalls lange gefordert und nun endlich im aktuellen Referentenentwurf: Ein Bonus von 30 Euro für Versicherte, die an der HZV teilnehmen. Endlich sollen damit flächendeckend unsere teilnehmenden Patientinnen und Patienten einen Anteil daran haben, dass sie sich für eine koordinierte Versorgung entscheiden, die uns und unser Gesundheitssystem entlasten kann und zugleich die Versorgung ver­bessert. Das wäre eine enorme Chance – im weiteren Prozess der Gesetzgebung wird es nun auf die genaue Ausgestaltung der Umsetzung ankommen. Hier haben wir definitiv noch Kommentierungs­bedarf.

Ebenfalls eine Forderung unserer Delegierten und als weitere Entlastungsmaßnahme im Entwurf enthalten: Die Einführung einer Geringfügigkeitsgrenze in Höhe von 300 Euro, bis zu deren Erreichen Krankenkassen keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen mehr beantragen können. Dass hier endlich eine Entlastung geplant ist und man nicht mehr wegen Kleinstbeträgen drangsaliert werden kann, ist eine gute Nachricht für die gesamte Ärzteschaft!

Auch ein weiter Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Diesen will das BMG im GVSG mit einer Jahres-pauschale wagen. Ziel ist: Die Entlastung der Hausarztpraxen sowie chronisch erkrankter Patientinnen und Patienten, die keiner engmaschigen Versorgung bedürfen, sondern aktuell nur der EBM-Regelung wegen in unsere Praxen kommen müssen. Angesichts der Komplexität der Regelversorgung wird hier noch ein ziemlich dickes Brett zu bohren sein. So wird es umfassender Umstellungen und Konkreti­sierungen bedürfen. Wichtig wird insbesondere sein, dass das Gesetz nicht alle chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten über einen Kamm schert – denn natürlich wird es auch weiterhin diejenigen geben, die einer engmaschigen klinischen Begleitung bedürfen und die daher sehr regelmäßig in unsere Praxen kommen müssen. Für deren aufwändige Behandlung müssen wir natürlich entsprech-end vergütet werden.

Heißt zusammengefasst: Wir sind auf einem guten Weg, auch, wenn so Manches angepasst werden und das Ganze dann noch über die Ziellinie muss, sodass die Reformen dann auch wirklich in unseren Praxen ankommen. Zum Aufatmen ist es also noch viel zu früh, aber wir sind näher an einer Gesund­heitsreform zur Stärkung unserer Arbeit dran als die letzten fünfzehn Jahre. Wir appellieren daher lautstark an alle politischen Entscheider: Diese Reform muss kommen, und zwar als Gesamtpaket! Im Zuge dessen fordern wir alle Beteiligten, von der Selbstverwaltung bis zur Ampelregierung, auf, die Ärmel hochzukrempeln, sodass diese notwendigen Maßnahmen zügig geschärft, verabschiedet und in die Versorgung gebracht werden! Es gilt keine Zeit zu verlieren! Was wir Hausärztinnen und Hausärzte nicht brauchen, sind Narrative, die in der Vergangenheit den Eindruck vermittelt hatten, es könnte und sollte alles beim Alten bleiben und Sorgen schüren, sodass sich möglichst wenig bewegt. Wir brauchen diese Bewegung!

Zum Glück scheint das auch unsere ärztliche Selbstverwaltung mehr und mehr so zu sehen. Wir brauchen für diese große Reform ihre Expertise und Bereitschaft, konstruktiv mitzuarbeiten und den Auftrag des Gesetzgebers im Sinne der Versorgung anzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie sich gewiss: Wir hören Ihre Rufe und setzen alles daran, damit Sie in diesen – für viele sehr schwierigen Zeiten – gestärkt und entlastet werden! Dafür sind wir vergangene Woche auch noch einmal bei unserer Frühjahrestagung mit allen Delegierten der Landes­verbände in Leipzig zusammengekommen. Wir haben viel diskutiert, uns eng abgestimmt und ent­sprechende Beschlüsse zur Verbesserung der Versorgungssituation gefasst, die Sie auf unserer Website unter www.haev.de/fjt finden. Wir danken Ihnen für Ihren vielen Input und werden Sie auch weiterhin über unsere Arbeit im politischen Berlin auf dem Laufenden halten!

Mit besten Grüßen

Dr. Markus Beier            Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth
Bundesvorsitzender        Bundesvorsitzende